

Muss Leidenschaft unbedingt Leiden schaffen? Müssen es immer die kärgsten Böden und die kümmerlichsten Reben sein, muss man immer bis zur Erschöpfung arbeiten? Vor 15 Jahren glaubte ich noch, dass nur so wirklich guter Wein entstehen kann. Heute sehe ich das anders. Geringe Ertragsmengen sind für mich zwar immer noch das A und O für die Herstellung hervorragender Weine mit hohem Alterungspotenzial. Für den Alltag, etwa zum Mittagessen, für ein entspanntes Wochenende oder auch eine Party unter Freunden, will man doch auch einmal einen ganz unkomplizierten Wein, der vor Frucht und Jugend nur so strotzt. Um solche leicht zugänglichen, geselligen Weine zu produzieren, braucht es gesunde, ausgewogen ernährte Reben, denen regelmäßig ausreichend Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Um den straffen, fruchtigen Charakter von Les Sorcières noch zu verbessern, haben wir 2011 ein neues Terroir in Espira de l’Agly übernommen. Das Ergebnis übertrifft alle unsere Erwartungen: Weine prall mit Frucht und Energie, die eine ideale Verbindung mit den Rebsorten Vieux Grenache und Carignan aus Hanglagen eingehen.


Wie bringt man wieder Leben in die Böden? Wir wollen hier absolut keine Kritik an früheren Generationen üben. Ohne Unkrautvernichtungsmittel wären alle Rebstöcke in Hanglage gerodet worden: Innerhalb von 15 Jahren hat das Roussillon schon 15 000 Hektar alte Carignan-Reben in Hanglage verloren …
Dass überhaupt noch welche übrig geblieben sind (das Roussillon besitzt unter allen französischen Regionen den größten Anteil an alten Weinstöcken) verdanken wir ihrer Arbeit. Nur die alten Winzer haben noch solche Reben. Ihr ganzes Leben lang haben sie auf den «Ribes» (Steilterrassen) gepflanzt, gepfropft, mit dem Pferd gepflügt und mit dem «Bigos» (traditionelles Werkzeug mit zwei Klauen) gearbeitet. Wir versuchen, wenn irgend möglich, die Böden mit Pferdemist, durch integrierte Bodenbearbeitung und die Verwendung möglichst schonender Produkte frisch zu beleben. Auf einigen Parzellen ist das relativ einfach, für andere suchen wir immer noch die beste Lösung …


Die Weinflächen unseres Anwesens werden integriert bewirtschaftet. Vernünftig wäre vielleicht der bessere Ausdruck … Jede der 112 Parzellen wird mehrmals wöchentlich mit dem Ziel inspiziert, je nach Krankheitsbefall zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, Pflanzenschutzmaßnahmen durchzuführen oder nicht.
Je nach Rebsorte und Lage wird in bestimmten Parzellen praktisch überhaupt nicht gespritzt, in anderen etwas mehr, d. h. hier fünfmal mit Schwefel gegen Echten Mehltau und einmal mit Kupfer gegen Falschen Mehltau. Auf mehr als der Hälfte der Weinflächen lassen sich der Bekreuzte Traubenwickler und der Einbindige Traubenwickler mit der Verwirrungsmethode bekämpfen.
Hoher Kupfergehalt, der den Boden steril macht und in anderen feuchten Gegenden häufig zu beobachten ist, kommt hier kaum vor. Dank des trockenen, windigen Wetters benötigen wir geringere Wirkstoffmengen bzw. müssen wir nicht so oft Wirkstoffe ausbringen.


Wie kann man einem Terroir mit großem Potenzial zu mehr Ausdruckskraft verhelfen? Auf altüberlieferte Methoden zurückzugreifen hindert durchaus nicht daran, auch neue Wege zu beschreiten, wie zum Beispiel sich die neuesten Erkenntnisse der Mykorrhizenforschung zunutze zu machen. Schon 1999 beimpften wir die ersten Parzellen mit Mykorrhiza. Bestimmte, normalerweise natürlich im Boden vorhandene, durch schlechte Anbaupraktiken über die Jahre jedoch zerstörte Mikroorganismen, die sog. Endomykorrhizen, leben in Symbiose mit den Wurzeln. Das äußere Myzelium des Pilzes fungiert als Verlängerung des Wurzelsystems, fördert die Verwurzelung, verbessert die Ernährung und stärkt das Immunsystem der Pflanze. Für 40 Hektar bewirtschaftete Nutzfläche unterhält das Weingut ein über 100 Hektar großes Ökosystem mit Schutzfunktion, bestehend aus Heideland, Brachen, Gehölzen und Hecken, sowie zahlreiche regionaltypische Gebäude. Biodiversität ist hier nicht nur ein schickes Schlagwort, sondern wird konkret, praktisch und aktiv umgesetzt.


Die Rebgärten des Weinguts liegen sehr weit voneinander entfernt. Das ist für uns einer der Schlüssel für die Qualität unserer Weine. 15 Kilometer in eine Richtung, 12 Kilometer in die andere: Diesen Preis muss man bereit sein zu zahlen, wenn man herausragendes Traubengut keltern will.
Das wird auch in Zukunft nicht anders, denn die über 30 Kilometer entfernten granithaltigen Böden in Bélesta und Lesquerde sind echte Juwelen. Früher ging man noch zu Fuß zur Arbeit in den Weinberg, oft war man nachts und über eineinhalb Stunden unterwegs. Warum sollten wir dann nicht 45 Minuten mit dem Schlepper oder mit dem Transporter fahren können?
Die Japaner würden uns wohl zu «reverse thinking» raten. Leichter gesagt, als getan … Der große Abstand zwischen den Parzellen macht die Arbeit nicht leichter und die Kosten nicht geringer. Doch die unterschiedliche Reifung ist von Vorteil. Und überhaupt, was für eine wunderbare Geschmacksvielfalt! Da tritt alles andere gleich in den Hintergrund. Die Müdigkeit und die Probleme des vergangenen Jahres sind schon vergessen.


Die geologischen Gegebenheiten und die Lage sind ausschlaggebend für das Verständnis eines Terroirs, zumindest wenn man die Absicht hat, dieses Terroir zur Erzeugung eines einzigartigen, harmonischen Weines zu nutzen, der sich sowohl zum unbekümmerten Genuss eignet, als auch ein ganz grundlegendes Geschmackserlebnis darstellt. Doch auch die «Geschichte» der Reben spielt dabei eine wichtige Rolle. Wir hatten das Glück, alte Reben zu übernehmen. Deshalb versuchen wir immer herauszufinden, wer sie wann, warum, mit welchen technischen Mitteln und in welchem wirtschaftlichen und kulturellen Kontext gepflanzt hat. Jeder Weinberg, jede Rebe ist in einer «Familiengeschichte» verankert, die allein den Schlüssel zum Verständnis des Terroirs darstellt und damit den weiteren Weg weist. Zum Genotyp (Boden, Untergrund, Vorbereitung, genetische Qualität des Setzlings) kommt der «Phänotyp», die Summe aller vom Klima und Menschen vorteilhaft oder nachteilhaft geprägten Merkmale. Nur wenn man das «Gestaltprinzip» berücksichtigt und das Verhältnis von Ort, Pflanze und Mensch ganzheitlich im Blick hat, wird man dem tieferen Sinn des Terroirs gerecht.


Muss Leidenschaft unbedingt Leiden schaffen? Müssen es immer die kärgsten Böden und die kümmerlichsten Reben sein, muss man immer bis zur Erschöpfung arbeiten? Vor 15 Jahren glaubte ich noch, dass nur so wirklich guter Wein entstehen kann. Heute sehe ich das anders. Geringe Ertragsmengen sind für mich zwar immer noch das A und O für die Herstellung hervorragender Weine mit hohem Alterungspotenzial. Für den Alltag, etwa zum Mittagessen, für ein entspanntes Wochenende oder auch eine Party unter Freunden, will man doch auch einmal einen ganz unkomplizierten Wein, der vor Frucht und Jugend nur so strotzt. Um solche leicht zugänglichen, geselligen Weine zu produzieren, braucht es gesunde, ausgewogen ernährte Reben, denen regelmäßig ausreichend Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Um den straffen, fruchtigen Charakter von Les Sorcières noch zu verbessern, haben wir 2011 ein neues Terroir in Espira de l’Agly übernommen. Das Ergebnis übertrifft alle unsere Erwartungen: Weine prall mit Frucht und Energie, die eine ideale Verbindung mit den Rebsorten Vieux Grenache und Carignan aus Hanglagen eingehen.